“Es gibt soviel Elend auf der Welt, jedes Kinderlachen oder Leuchten in ihren Augen sollte genug Ansporn für alle sein, sich, in welcher Form auch immer, zu engagieren”
Wir haben uns mit Jürgen von Green Devils Kesseling über dies und jenes unterhalten. (Interview: Steven, Nordkurve Aktiv)
Steven: Jürgen, stell uns doch mal deinen Fanclub genauer vor, wann habt ihr euch gegründet, wo seid ihr zu finden und wie sieht eure Mitgliederstruktur so aus?
Jürgen: Hallo Steven! Erst einmal möchte ich mich im Namen unseres Fanklubs für euer Interesse an uns bedanken. Sowas kommt schließlich nicht alle Tage vor. Wir haben uns offiziell am 01.08.1994 im kleinen Eifel-Ort Kesseling, unweit des Nürburgrings, gegründet, sind aber schon vorher als loser Zusammenschluss unter Freunden zusammen zur Borussia gefahren. Im Borussia-Park findet man uns überwiegend im Oberrang der Nordkurve, ein paar Leute haben aber auch Dauerkarten im Block 16. Derzeit zählen wir 46 Mitglieder, von den das älteste stolze 80 Lenze auf dem Buckel hat und das jüngste Mitglied in Form meines Sohnes knapp 15 Monate alt ist.
Steven: So ein Fanklub-Leben ist ja oftmals ganz schön turbulent. Kannst du uns ein paar Höhen aus eurer bisherigen Zeit nennen?
Jürgen: In 25 Jahren hat man natürlich so einiges erlebt. Auf Anhieb sind beispielsweise der Pokalsieg 1995, der Nichtabstieg 1997/98 in Wolfsburg, die Relegation gegen Bochum, diverse Touren mit unserer Borussia durch Europa, die Teilnahme an deutschen Meisterschaften der Borussia-Fanklubs, welche wir sogar zweimal gewinnen konnten, Derbysiege etc. zu nennen. Persönlich wird mir auch immer der 5:1 Heimsieg gegen die geliebten Dortmunder in der Saison 1996/97 in Erinnerung bleiben. Ich werde nie die dummen Gesichter nach dem Spiel vergessen, nachdem sie vorher noch dermaßen arrogant aufgetreten waren. Naja, die Quittung haben sie bekommen. Genauso sind aber generell auch einfach die gemeinsamen Touren, Partys etc. zu nennen, auf denen der Spaß nie zu kurz kommt.
Steven: Und wo es Höhen gibt, gibt es natürlich auch Tiefen die ihr als Fanclub vielleicht durchlebt habt. Hast du hier irgendwas im Kopf?
Jürgen: Neben den Abstiegen, Derbyniederlagen, dem Chaos um die Initiative, Grabenkämpfe etc. bleibt leider ein wirklich sehr trauriges Erlebnis mehr als nur negativ in unserer Fanklub-Geschichte haften. 2007 ist eines unserer Mitglieder völlig unerwartet und ohne vorherige Anzeichen verstorben, was uns sehr getroffen hat. Schorsch ist jedoch immer bei uns und begleitet uns bei allem, was wir machen, wenn auch seitdem in anderer Form. Durch solche Ereignisse erkennt man auf traurige Art und Weise, welche Dinge wirklich wichtig im Leben sind. Nichtsdestotrotz hat dies unserer Liebe zur Borussia natürlich keinen Abbruch getan. Weiterhin ist das verlorene Halbfinale 2001 gegen Union Berlin zu nennen. An diesem Tag ist wirklich alles schiefgelaufen. Nach einer unvorteilhaften Begegnung mit einer Straßenbahn vor dem Spiel, musste einer unserer Jungs im Krankenhaus behandelt werden. Die Polizei hat mich zu ihm gefahren, er wurde genäht, per Taxi und gegen den ärztlichen Rat zurück an die Alte Försterei, zur 2. Halbzeit im Block, Elfmeterschießen, verloren. Die Szenen nach dem Spiel vor der Kurve, ein mehr als gebrauchter Tag! „Wenigstens“ hat mein Kollege es am nächsten Tag in den Kölner Express geschafft …
Steven: Wie seid ihr auf „Nordkurve Aktiv“ aufmerksam geworden?
Jürgen: Ich denke, jeder, der sich auch nur halbwegs mit der Fanszene in MG auseinandersetzt, sollte durch euer tolles und anhaltendes Engagement für eben jene sowie sonstige Einrichtungen für (benachteiligte) Kinder, soziale Projekte etc. zumindest auf euch aufmerksam geworden sein. In unserem Fall war es so, dass ich eure Arbeit von Anfang an verfolgt habe und somit im Bilde war.
Steven: Engagiert ihr euch auch in anderen sozialen Projekten Wenn ja, in welchen?
Jürgen: Bislang ist Nordkurve Aktiv das einzige Projekt, in dem wir uns engagieren. Im Rahmen unseres 25-jährigen Fanklubjubiläums in diesem Jahr ist aber geplant, auch vor der Haustür aktiv zu werden. Wir haben uns aber noch nicht auf ein oder evtl. mehrere kleine Projekte festgelegt.
Steven: Ganz präsent ist uns natürlich eure jährliche Spende sowie eure Beteiligung an unserer Süßigkeitenaktion. Wie ist es dazu gekommen das ihr euch so engagiert? Erzähl den Lesern doch mal was dazu.
Jürgen: Da sich ein Großteil unserer Mitglieder ehrenamtlich engagiert, sei es in Vereinen, im Gemeinderat etc. und eine Reihe unserer Leute auch schon über Jahre ehrenamtlich als Betreuer eines hiesigen Kinder- und Jugendzeltlagers fungiert haben, fanden wir die Idee auf Anhieb klasse. So wuchs schnell der Gedanke „einfach was Gutes zu tun“ in unseren Köpfen und somit war das Ding dann eigentlich auch schon durch.
Steven: Sind in Zukunft weitere Aktion im karitativen Bereich, seitens Green Devils Kesseling geplant? Wenn ja, welche?
Jürgen: Wie bereits erwähnt, möchten wir in diesem Jahr zusätzlich zur Weihnachtstütenaktion einem oder mehreren lokalen Projekten unter die Arme greifen. In welcher Form das genau passieren wird oder für welche Projekte wir uns schlussendlich entscheiden werden, steht jedoch noch nicht fest. Durch die Vielzahl an tollen Angeboten, Einrichtungen, Gruppen, Projekte in der Kinder- und Jugendarbeit, der Arbeit mit und für alte oder behinderte Menschen etc. gibt, fällt uns die Entscheidung hierzu nicht leicht. Wir würden gerne möglichst vielen unsere Unterstützung zukommen lassen, was aber weder zeitlich noch finanziell machbar ist. Von daher denken wir, dass es besser ist, sich einzelne Sachen auszusuchen und diese dann auch mit einem gewissen Mehrwert unterstützen zu können.
Steven: Würdet ihr anderen Fanclubs o.ä. Organisationen empfehlen sich mehr zu engagieren?
Jürgen: Auf jeden Fall! Dies gilt in unseren Augen aber generell für alle Lebensbereiche. Aktiv zu gestalten, eine klare Position einzunehmen, den Mund aufmachen und mit anzupacken ist in unseren Augen immer besser als nur passiv zu konsumieren. Sicherlich ist letzteres der einfachste Weg, da man mit seinen Entscheidungen natürlich auch daneben liegen kann. Aber dann macht man es beim nächsten Mal eben besser. Anderen zu helfen, sie ein Stück weit zu begleiten, sei es finanziell, durch tatkräftige Hilfe oder einfach nur ein paar aufmunternde Worte, macht einen doch auch glücklich. Wir können nicht immer nur nehmen, sondern sollten auch bereit sein, etwas (zurück) zu geben. Weiterhin gibt es ja im Borussia-Kontext viele Möglichkeiten mitzuwirken, im Fanprojekt, De Kull, Nordkurve Aktiv …
Steven: Wie kann man sich als Fanclub aktiv am Projekt „Nordkurve Aktiv“ beteiligen?
Jürgen: In dem man mit offenen Augen durch die Welt geht und das Geschehen rund um die Nordkurve verfolgt! Sei es sich bei den Becherspenden zu engagieren, an den diversen Versteigerungen teilzunehmen etc. Zur Not einfach mal eine Email schreiben und nachfragen, ob und wie man sich einbringen kann.
Steven: Was ist deine bzw. eure Motivation, und werdet ihr euch in Zukunft auch weiter einsetzen wollen?
Jürgen: Viele unserer Mitglieder sind mittlerweile Eltern, alleine aus diesem Grund ist es für uns schon eine Herzensangelegenheit uns für Kinder einzusetzen und auch speziell in MG zu helfen. Es gibt soviel Elend auf der Welt, jedes Kinderlachen oder Leuchten in ihren Augen sollte genug Ansporn für alle sein, sich, in welcher Form auch immer, zu engagieren.
Steven: Wie denkt ihr momentan über Borussia und/oder die Fanszene in MG?
Jürgen: Die sportliche Situation rund um unseren Verein ist zurzeit sicherlich nicht die einfachste. Rund um die mittlerweile geklärte Trainerfrage gab es, mal größere, mal kleinere, Unstimmigkeiten, was das Leben am und im Borussia Park sowie im Umfeld sicherlich nicht einfacher gemacht hat. Wir denken, dass der Schnitt, den Max Eberl vollzogen hat, die richtige Entscheidung war. Nicht, weil wir persönlich etwas gegen Dieter Hecking haben, sondern rein aus sportlicher Sicht heraus begründet. Man hatte das Gefühl, dass über die Jahre hin einfach eine Situation geschaffen wurde, in der alles einfach auf gewissen Art und Weise zu ein- und festgefahren war. Als Beispiel nenne ich die viel zitierte „Wohlfühloase Mönchengladbach“. Es muss frischer Wind rein, neue, unverbrauchte und hungrige Gesichter, sowohl in der sportlichen Führung wie auch in der Mannschaft sind unserer Ansicht nach unabdingbar. Von daher denken wir, dass die eingeleiteten Schritte absolut richtig und auch wegweisend für den weiteren Werdegang unseres Vereins sind. Klar ist jedoch auch, dass sich Eberl an den Entscheidungen messen lassen muss. Lassen wir uns also überraschen, es bleibt spannend …
Die Fanszene hat in den 25 Jahren, in der wir uns in ihr bewegen, einen massiven Umbruch erlebt. War früher alles noch ein wenig familiärer und oftmals auch ungezwungener, chaotischer, ist es aber genauso logisch, dass Veränderungen stattgefunden haben. Eine Fanszene ist da nicht anders, wie jede andere Subkultur auch und somit ein Spiegelbild der Gesellschaft. Dies ist auch absolut notwendig, da man mit Stillstand eben auch nicht weiterkommt. Im Grunde ist es immer noch ziemlich Einfach Anschluss zu bekommen, da es genügend Angebote durchs FP, die Ultras oder auch euch gibt, um jetzt nur mal 3 Möglichkeiten zu nennen. Eine Zeitlang hatte man das Gefühl, dass tiefe Risse zwischen einzelnen Fraktionen herrschten, was sicherlich auch so war. Aber ich denke schon, dass man auf einem ganz guten Weg ist, um wieder das besungene „Einig Volk von Brüdern“ zu werden, auch wenn es natürlich nie so sein wird, dass alle mit allem einverstanden sein werden. Aber damit muss eine Fanszene leben und auskommen können. Mit ein bisschen mehr Toleranz auf allen Seiten, sollte dies kein Wunschtraum sein. Wenn ich mir andere Szenen im Land angucke, haben wir es noch verdammt gut bei uns. Nervig sind jedoch die Social Media-Kommentatoren, die zu Allem und Jedem ihren Senf abgeben und oftmals völlig unreflektiert vermeintliche Wahrheiten nachplappern, Aktionen rund um die Nordkurve kritisieren, ohne einen wirklichen Plan davon zu haben was überhaupt gemeint ist, wer das Ganze initiiert hat, Klischees und Vorurteile bedienen etc. Man merkt halt schnell, wer von dieser Klientel wirklich Teil der Fanszene ist, wer sich mit Dingen auseinandersetzt oder wer nur an der Tastatur seinen Frust ablassen möchte.
Steven: Zum Schluss vielleicht noch ein paar Worte an andere Borussia-Fans, die sich auch ehrenamtlich für Nordkurve Aktiv engagieren möchten?
Jürgen: Aktiv werden, aktiv bleiben! Jeder sollte sich im Kreise der Borussia-Familie wohlfühlen, sich als ein Teil des Ganzen fühlen können. Wenn wir alle ein kleines bisschen dazu beitragen, dann wäre schon Vieles erreicht. Die Jungs und Mädels von Nordkurve Aktiv reißen sich wirklich buchstäblich den Hintern auf, um anderen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern zu können. In vielen Szenen, ohne pauschalisieren zu wollen, hat man manchmal das Gefühl, dass irgendetwas Karitatives gemacht wird, weil es „in ist und es ja alle machen“. Dieses Gefühl haben wir bei Nordkurve Aktiv überhaupt nicht, da einfach viel Herzblut und Ehrlichkeit in den Aktionen steckt. Dieses Engagement ist heutzutage leider nicht mehr so weit verbreitet und daher kann man nur DANKE sagen. Macht weiter so!!!
Steven: Vielen Dank im Namen Nordkurve Aktiv für das sehr interessante Interview und beste Grüße an deine Jungs, Jürgen!
Jürgen: Nochmals vielen Dank für die Möglichkeit, uns kurz vorstellen und ein paar Worte verlieren zu können, die Jungs und Mädels haben sich gefreut und schicken beste Grüße zurück nach MG! Kommunikation ist das A und O, nicht nur beim Fußball. Gemeinsam sind wir stärker, auch gegen Externe …